Maschinenpistolen

Mittwoch, 4.6.1969 21:00  ! Köhlersaal
21:00 Maschinenpistolen

Programmheft SoSe 1969:

Raoul Walsh ist einer der bedeutendsten Regie-Veteranen des amerikanischen Films. Und — wie etwa Howard Hawks — ein amerikanischer Regisseur durch und durch. Seine Filme — egal ob sie vor dem Hintergrund Amerikas, Burmas, Japans oder Alaskas spielen — sind geprägt von der spezifisch amerikanischen Kunstauffassung und vom amerikanischen Denken. Auch in anderer Beziehung geht es den Filmen von Walsh so, wie denen von Hawks: Je älter sie sind, desto eher werden sie auch von den deutschen Kritikern akzeptiert und respektiert. Mit der Patina der Distanz versehen, werden ihre Qualitäten immer offensichtlicher.

„Maschinenpistolen“ ist einer der exemplarischen Filme von Walsh und einer der besten Gangsterfilme nach dem Krieg. „Man muß eine große Zahl verschiedenartiger Elemente in einen Film hineinpacken und sie miteinander in Einklang bringen, damit er etwas von der Konstruktion eines Musikstücks, einer Symphonie erhält“, heißt eine Forderung von Raoul Walsh. In „Maschinenpistolen“ hat er sie vorbildlich verwirklicht.

„Maschinenpistolen“ ist nicht nur die Geschichte vom „Rise and Fall“ eines Gangsters. Der Film erzählt darüber hinaus auch noch die Geschichte einer einseitigen Freundschaft (Fallon-Jarrett), einer gescheiterten Ehe, einer abgöttischen Mutterliebe und eines Polizeispitzels. Die Schauplätze beschränken sich nicht auf das tradierte Gangsterfilmmilieu: die Straßen Amerikas, die Hotels, die Polizeistationen, die Autos, die Gefängnisse, die Warenhäuser. Eine Dynamit-Fabrik wird nachdrücklich in das Geschehen einbezogen und gibt dem Film einen realistischen Hintergrund. „Maschinenpistolen“ bietet so etwas wie einen Querschnitt durch alles, was im Gangsterfilm üblich und möglich ist, einen Querschnitt durch die Wirklichkeit des amerikanischen Verbrechens.

Der Film enthält nicht nur eine Anzahl rasant inszenierter Szenen — etwa den Zugüberfall am Anfang, den Ausbruch aus dem Gefängnis, den Überfall auf die Fabrik und Jarretts Tod auf der „Spitze der Welt“ — sondern eine ebenso große Zahl an außerordentlich dichten Szenen, die dazu dienen, die Personen des Films durch das, was sie tun und sagen zu charakterisieren, ohne einen Augenblick lang die Ebene des Action-Films zu verlassen.

„Maschinenpistolen“ gehört fraglos zu den zehn besten Filmen des Genres. Er ist nicht nur unglaublich routiniert gemacht, sondern mit einer phantastischen Spontaneität und Intensität was die Dialoge, die Kamera, die Führung der Schauspieler und die Erzählweise der Story anbelangt.
„Maschinenpistolen” ist ein Film, dessen immenser Reichtum, dessen Vielschichtigkeit sich erst nach und nach erschließen.

Eckhart Schmidt