Achteinhalb

Mittwoch, 6.5.1970 21:00  ! Köhlersaal
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Programmheft WS 1966/1967:

Nach 7 1/2 Filmen versieht Fellini dieses Werk mit einer Nummer. Es ist der Film in dem er von sich selbst erzählt. An Guido, dem Regisseur „im” Film, demonstriert er, wie er dazu kam den „Schinken” LA DOLCE VITA (1960) zu machen. Im Film läßt er Guido den Film planen, den er schon gemacht hat. LA DOLCE VITA entstand in einer persönlichen Krise und wurde zum Dokument dieser Zeit. Fellinis Weg aus der Sackgasse in die er mit diesem Film geraten war, wird durch „Otto e mezzo” dokumentiert. In der Auseinandersetzung mit sich selbst, die er als Künstler in seinem Metier gestaltet, befreit er sich von den Gefühlen, erdrückenden Vorstellungen und Hemmungen, die zu LA DOLCE VITE führten. So wäre es sinnlos die Story dieses Filmes zu erzählen, seine Aussagekraft steckt im Detail. Viel wichtiger ist es darauf hinzuweisen, mit welch schöner Folgerichtigkeit Bewusstseinssplitter, Wunschträume und Angstvorstellungen ins Bild gesetzt werden, sich aneinanderreihen, sich auseinander entwickeln.

Ein Vergleich des Drehbuchs (erschienen in der Cinemathek-Reihe) mit dem fertigen Film gibt Aufschluß über Fellinis Arbeitsweise. Das Drehbuch stimmt in vielen Punkten nicht mit dem Film überein, es fehlen viele Einstellungen und einige Szenen. Die Kardinalszene („Hörst Du den Vogel mein Sohn?“ . . .) z. B. ergab sich offensichtlich erst während der Dreharbeiten, fügt sich aber trotzdem harmonisch in das Ganze des Films ein.

Fellinis metaphorische Bilder, einige aus seinen früheren Filmen erscheinen hier von neuem (z. B. erinnert die Zirkuskapelle am Ende an die Straßenmusikanten aus der Originalfassung von LA STRADA, 1954,), lassen den Zuschauer erkennen, daß die Bilder eines Filmes ebenso Übersetzungen von Traum und Wirklichkeit sind, wie die Worte in der Literatur.

In diesem Film befreit das Bekenntnis zur Autobiographie Fellini von dem Zwang, allgemeine Wahrheiten verkünden zu müssen. Es zeigt sich, daß die rücksichtslose Subjektivität ihn am Ende zu objektiveren Ergebnissen führt als jede noch so streng konstruierte Fabel es vermocht hätte.

aus Filmkritik 7/63