Fahrenheit 451

Dienstag, 20.11.2001 20:00 Audimax
0:00 Fahrenheit 451

Lesen ist unter Strafe gestellt! Nur Bilder sind noch erlaubt: Große Fernsehwände übertragen banale Botschaften, deren Informationsgehalt gleich Null ist. Zentrales Kontrollorgan ist die Feuerwehr, die nicht mehr dazu da ist, Brände zu löschen, sondern sie zu legen. Wo immer Bücher gefunden werden, wird sie alarmiert, um sie mit Flammenwerfern zu vernichten. Der tapfere Feuerwehrmann Montag (Oskar Werner) aber verfällt der Macht des Geschriebenen...

Truffauts düstere, nach Ray Bradburys gleichnamiger Romanvorlage verfilmte Zukunftsvision hat bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren.

HS


Programmheft WS 1968/1969:

Fahrenheit 451 ist der Hitzegrad, bei dem sich Papier selbst entzündet. Feuerwehrleute, unter ihnen der Held des Films, Montag (Oskar Werner), ziehen nicht aus, um Brände zu löschen, sondern um Bücher zu verbrennen. Denn in der Welt von „Fahrenheit 451” gibt es kein geschriebenes Wort. Literatur ist verboten, der Besitz von Büchern unter Strafe gestellt.

Diese Ausgangsidee hat Truffaut aus seiner Vorlage, dem Science-Fiction-Roman von Ray Bradbury, übernommen, ebenso die Geschichte von dem braven Feuerwehrmann Montag, der unter dem Eindruck seiner Begegnung mit der Lehrerin Clarisse beginnt, Bücher zu lesen statt sie zu verbrennen und, schließlich in den Wald flüchtet, wo Gruppen von Bücherlesern wie im Maquis leben und jeder von ihnen ein anderes Buch auswendig lernt, um es der Nachwelt zu überliefern. Doch während Bradbury seinen Roman mit allen Kunstgriffen naturalistischer Erzählkunst zum glaubwürdigen Abbild einer furchterregenden Zukunftswelt zu stilisieren sich bemüht, verzichtet Truffaut von vornherein auf äußere Glaubwürdigkeit und kennzeichnet den Gegenstand seines Films als das, was er ist: als Modell einer Vorstellung. Dennoch wirkt Truffauts Filmwelt fremder, irritierender, am Ende grauenvoller als die Romanwelt Bradburys. Truffaut geht es nicht um wissenschaftliche Utopie und um sozialkritische Allegorie. Sein Film beginnt da, wo Bradburys Roman endet, bei der Frage, was es mit der Alternative von Büchern und Menschen, von Kultur und Zivilisation, von Bildung und gesellschaftlicher Praxis auf sich hat.

Der erste Eindruck, den „Fahrenheit 451“ vermittelt, ist der von Glätte, Tempo, Eleganz. Kurze Einstellungen, zügig verknüpft, in verbindlicher Abfolge. Man fühlt sich wie ein Schlittschuhläufer - bis man einbricht. Dann muß man erkennen, daß die Oberfläche trog, daß sie nur Maske war, daß sie einen Abgrund verbarg. Wie schon „La peau douce“ ist „Fahrenheit 451“ ein Film, der von seinem Ende her betrachtet werden will. Er reiht seine Szenen nicht nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung, er nimmt den Zuschauer nicht an der Hand, um ihn sicher von einer kleinen Einsicht zur anderen zu führen, sondern häuft Anschauungsmaterial, bis dessen Quantität für den Betrachter umschlägt in Qualität eigener Erkenntnis.