Sommersemester 1960

An unsere Besucher . . .

wollen wir auch dieses Mal, wie jedes Semester an dieser Stelle, in der Hoffnung appellieren, daß unser Ruf nicht ungehört verhallt. Inzwischen hat sich unser Mangel an Mitarbeitern derartig vergrößert, daß die weitere Existenz des Studentischen Filmkreises THD ernsthaft in Frage gestellt ist, wenn nicht neue Kräfte zu uns kommen. Um falschen Annahmen entgegenzutreten: Der Filmkreis ist kein exklusiver Verein für erlesene Amateure, die bereits mindestens einen farbigen Cinemascope-Film gedreht haben müssen, sondern er ist neuen Mitgliedern gegenüber stets aufgeschlossen. Jeder Kommilitone kann bei uns mitarbeiten und eine entsprechende Arbeit übernehmen. Wir bedauern es sehr, aber leider kann auch der Studentische Filmkreis nicht ganz ohne Mitarbeit existieren. Dafür bietet ein Mitwirken an den allgemeinen Aufgaben des Filmkreises auch viele Vorteile für den Einzelnen — von Clubfesten bis zu Exkursionen —. Vielleicht finden sich noch ein paar ldealisten, denn es sollte uns leid tun, wenn dies das letzte Programmheft wäre.

Doch genug des Schwanengesangs, und kommen wir damit zu unserem Sommerprogramm.
Um während der Sommerszeit die Studenten in eine Kinoveranstaltung — dazu noch am dies academicus — zu locken, bedarf es eines nicht geringen Aufwandes. Wir haben deshalb keine Mühen gescheut, Ihnen ein aufgelockertes Programm zu bieten. Als Richtschnur für unser Programm dient das Thema: Hollywood — von 1940 bis 1950. Wir zeigen Ihnen amerikanische Filme aus diesem Zeitraum, der eine große Schaffensperiode des amerikanischen Films und damit Hollywoods darstellt.
Als Vorfilme werden Sie dieses Semester Industriefilme sehen, weil wir glauben, daß Sie es begrüßen werden, wenn wir Ihnen als Ergänzung zu den Vorlesungen, sozusagen als Salz zur Suppe, einige informative Filme über verschiedene Industriezweige zeigen. Die zur Auswahl stehenden Filme — wir haben bereits 120 gezeigt — werden immer weniger, auch werden bereits terminierte Filme oftmals kurzfristig gekündigt — das ist eben das Schicksal der Filmclubs. Wir bitten deshalb, etwaige Abänderungen gnädigst zu verzeihen; es ist nicht unsere Schuld. — Danke!

Nachdem Sie unser Informationsheft bis hierher gelesen haben, danken wir Ihnen für das entgegengebrachte Interesse und hoffen, Sie etwas mit den nachfolgenden Definitionen aufzuheitern.

CinemaScope. Ein neues Verfahren, im Film den Horizont zu verbreitern, ohne beim Publikum einen erweiterten Horizont voraussetzen zu müssen.

Deutscher Film. Treibhaus für die Züchtung der Veilchen von Klamottenburg unter akustischer Unterstützung von Abendglocken. Der deutsche Film beweist uns immer wieder, daß die Menschen alle edel wären, wenn es nicht einige Schufte gäbe, Dieser Beweis wird in der Regel unter Beiziehung von schwarzen Mercedeswagen, weißlackierten Telefonen, gefeierten Pianistinnen und Rittergutsbesitzern erbracht.

Edelwildwester. Unterscheidet sich vom üblichen Wildwester dadurch, daß der Sieg des Guten nicht ganz so reibungslos vor sich geht.

Gangster. Sollen beim Film lediglich auf der Leinwand vorkommen und haben dort die Aufgabe, neunzig Minuten lang Helden zu sein, in den letzten fünf Minuten aber von der Polizei überwältigt zu werden. damit die Zuschauer nicht den Beruf wechseln.

Komik. Vielgefragter Artikel in der Filmherstellung. Zeichnet sich durch besondere Wirksamkeit aus, wenn der fensterlnde Hauptdarsteller auf einem Misthaufen landet.

Kriegsfilm. Ein spannendes Erlebnis für alle, die sich die Toten und Verwundeten von einem gepolsterten Stuhl aus ansehen. Grundsätzlich fallen aber in Kriegsfilmen nur die Soldaten der anderen Partei. Wo Soldaten beider Parteien fallen, ist der Regisseur wahrscheinlich Pazifist und daher abzulehnen.

Tarzan. Affenähnlicher Wirklichkeitsersatz für Frauen, die nur mit einem schmalen Buchhalter verheiratet sind. Lebt auf Bäumen und täuscht mit dem Namen Weissmüller europäische Zivilisation und Biederkeit vor.

Werbefilm. Dreiminütiger Versuch, das Publikum auf dem Umweg über das Mittagessen Julius Cäsars, die Bevölkerungszunahme in Indien, die Brandgefahr in Segelflugzeugen und die Ursachen des ersten Weltkrieges auf den Wert einer Toilettenseife aufmerksam zu machen.

Wochenschau. Eine Folge von Schiffstaufen, Karnevalsumzügen, Pferderennen, Truppenparaden und Ministerempfängen. Es entspricht nicht den Tatsachen, daß im Jahresturnus immer wieder die gleichen Bilder gezeigt werden. Gelegentlich wird ein Pferderennen oder eine Schiffstaufe neu verfilmt.

Aus der Schweizer satirischen Wochenschrift „Nebelspalter”