Western-Seminar

Filmseminar im WS 1980/1981

Wenn ich so im Nachhinein darüber nachdenke, mich frage wie ich eigentlich auf die Idee kam ein Western-Seminar zu organisieren und zu veranstalten, ist es mir kaum möglich zu sagen warum. Western ? Ich habe diese Filme nie verachtet, manche sogar mit Genuß zweimal angeschaut, doch es war immer so ein Genuß, den man zumindest unter Studenten meines Alters nicht ganz ohne Scham genießen kannte. Was hatte man sich da angeschaut, einen Film in dem gemordet wurde, in dem Recht und Gesetz als der Gesellschaft höchste Güter gepriesen werden. Es gibt auch wertvolle Western hat man dann in Kritiken gelesen, "High Noon"* zum Beispiel.
 
Aber warum gerade ein Western-Seminar ? Viele Bekannte fragten auch gleich weshalb Western, und dieses "weshalb?" hatte immer den Unterton: Western, gibt es denn nicht wichtigere Filmgenre; da steckt doch nichts dahinter, Western sind doch so stupide und eindimensional.
 
Als Teil des Publikums oder besser als reiner Zuschauer war der Western für mich sehenswert, als Veranstalter jedoch waren sehenswert und zeigenswert kein Synonym. Selbst in kommerziellen Kinos hat der Western mit wenigen Ausnahmen kaum noch den Zuschauerzuspruch wie früher; Kinomacher führen das auf eine Übersättigung oder Erschöpfung zurück.
 
Der Western ist in der Bundesrepublik ein von der Kritik stark diskriminiertes Filmgenre, wobei man einerseits einer Verachtung a priori, aus unreflektiertem und biederem Bildungsdünkel, verhaftet ist, und andererseits den Western als historisch unwahr und als Transportmittel reaktionärer Ideologien brandmarkt.
 
In allem was ich bis jetzt geschrieben habe stecken meine Argumente trotz allem ein Western-Seminar zu veranstalten.
 
Jetzt, da ich einen dicken Stoß Bücher und Zeitschriften gelesen habe, wieder ein paar Western neu oder wiedergesehen habe, kam mir die Antwort auf die Frage: Warum ein Western-Seminar?
 
Dieses Vorurteil von Western als eindimensionalen Filmen, dem ich in Diskussionen keine Argumente dagegensetzten wußte, hat mich zum Seminar bewogen. Mir wurde bewußt, daß alle den Western mehr oder weniger diskreminieren, und ich selbst mich einer Selbstzensur unterworfen hatte. In den vier Jahren, in denen ich für das Filmkreisprogramm verantwortlich zeichnete, waren von 200 Filmen gerade zwei Western.
 
Die Intention des Seminars ist es nun den Beweiß zu führen, daß Western neben ihren realen Hintergründen, Motiven, Wiederspiegelungen von Hoffnungen und Ängste, Spiele sind, Variationen von selbstgeschaffenen Mythen und Regeln, die einem Strengen, klar erkennbarem Kodex unterworfen sind.
 
Desweiteren will ich Ordnung in Eure Western-Kino-Erfahrungen bringen, um die Bilder eines guten Western wieder ohne unzutreffende Vorurteile aber mit geschärften Bewußtsein sehbar zu machen, und umzu versuchen das Material des Genres beherrschbar zu machen. Darüberhinaus soll eine Abgrenzung zwischen Western und Nicht-Western an Hand zweier Filme ähnlicher Handlungskonstruktion aufgezeigt werden.
 
Zum Einstieg ins Seminar und zum Abschluß dieser Einführung möchte ich Euch noch zwei Gedanken auf den Weg mitgeben:
Jeder von uns hat seinen eigen Western im Kopf, einen einzigartigen, höchst persönlichen, an dem alle anderen gemessen werden. Dieser eigene Western ist veränderbar, denn das Kino ist nicht zu Ende, wenn der Vorhang fällt; die Bilder bleiben in unseren Köpfen, und manche waren schon vorher da.
 
* Manche von Euch suchen vergeblich nach "High Noon" in diesem Seminarprogramm. Nein, ein solcher Trivialfilm hat in dieser Veranstaltung keinen Platz und mir gilt es als übler Witz, daß gerade dieser gefährlich naive Law and Order Film bei der deutschen Filmkritik zu diesem Ruf gekommen ist.