"Ich will eigentlich, daß die Leute in meinen Filmen vergessen, daß es da eine Kamera und einen Regisseur gegeben hat. Sie sollen vergessen, daß das da eine Leinwand ist, worauf sie blicken. Sie sollen meinen, sie seien mit den Personen der Handlung im selben Zimmer oder auf derselben Straße"
So beschreibt Billy Wilder, dem wir dieses Semester unsere Filmreihe widmen, seine Intentionen beim Drehen eines Filmes.
Am 22. Juni 1906 als Samuel Wilder als Sohn jüdischer Eltern im Österreichischen Sucha (heute Polen) geboren, beginnt er zunächst ein Jurastudium, wechselt jedoch bald ins Journalistenfach.
1926 zieht er nach Berlin, wo er beginnt, sich als Ghostwriter für verschiedene Drehbuchautoren betätigen. Die Mitwirkung am Stummfilm Menschen am Sonntag (den wir übrigens mit Liveklavierbegleitung auch zeigen) ermöglicht ihm den Start als professioneller Drehbuchautor. 1933 emigriert Wilder über Frankreich in die USA, wo er zunächst für verschiedene Studios als Drehbuchautor arbeitet, bevor er 1942 auch als Regisseur zu arbeiten beginnt, angeblich, weil ihn die schwache Umsetzung seiner Drehbücher durch andere Regisseure ärgerte.
Wobei dieses Ärgernis für alle Kinofans zum Glücksfall wurde, denn mit seinem Einstieg ins Regiefach wurde die Filmgeschichte durch viele Klassiker bereichert.
Natürlich, am bekanntesten wurde Wilder durch Komödien, wie Manche mögens heiß (1959), Das verflixte 7. Jahr (1955) und Eins, Zwei, Drei (1961), aber das war nur eines der Genres, in denen er sein Können unter Beweis stellte. Darüberhinaus schuf er Filme wie Double Indemnity (Frau ohne Gewissen) (1944), ein Klassiker der "schwarzen Serie" und Vorläufer des "film noir" und Reporter des Satans (1951), ein Film voller beißender Gesellschaftskritik, der zum Nachdenken über den bereits in den frühen 50er Jahren grassierende Sensationsjournalismus anregte. Und er drehte mit Zeugin der Anklage (1957) "einen der besten Hitchcock-Filmen, der nicht von Hitchcock gedreht wurde".
Aber trotz seiner kontrastreichen Filmographie gab es doch immer einige charakteristische Merkmale seiner Filme. So prangerte er immer wieder die Unmoral im alltäglichen Leben der nach außen perfekt durchorganisierten amerikanischen Gesellschaft an, wie z.B. in Das Appartment (1960), in dem ein kleiner Angestellter, um schneller Karriere zu machen, seinem Chef die eigene Wohnung für dessen Schäferstündchen zur Verfügung stellt. Auch karikierte Wilder immer wieder gerne das Sendungsbewußtsein seiner Landsleute und ihren Glauben, daß die übrige Welt am amerikanischen Wesen genesen möge, wie er dies in der Person des Coca-Cola Managers in Eins, Zwei, Drei tut.
Was auch immer wieder in Wilder#s Filmen auffällt, ist seine unverhohlene Vorliebe für die "falschen Fuffziger", die rücksichtslosen Egoisten, die trickreichen Schwindler und die bigotten Moralisten. Sicherlich auch aus der Einsicht heraus, daß man dem Negativpart der Geschichte eben mehr komische Facetten abgewinnen kann als dem integren Durchschnittsmenschen. Aber Wilder wäre sicherlich nicht der Komödienregisseur von Rang, gelänge es ihm nicht auch immer wieder, diesen "Unsympathieträgern" liebenswert-schelmische Seiten abzugewinnen.
Sympathisch berühren Wilders Selbstironie und Untertreibungen, mit denen er sich unzählige Male über die eigenen Filme geäußert hat. Nur einen Bruchteil seines Gesamtwerks läßt er rückwirkend gelten. Wohl weniger fishing for compliments eines in Ehren ergrauten Regie-Altmeisters als vielmehr Ausdruck nie endender Überlegungen, wie die eigene Leistung noch hätte gesteigert werden ksnnen, selbst wenn diese noch so oft vom Publikum bejubelt und mit Auszeichnungen überhäuft wird.
Und welche Rolle Auszeichnungen für ihn perösnlich spielen, umschrieb Wilder schließlich so:
"Auszeichnungen sind wie Hämorrhoiden. Früher oder später kriegt jedes Arschloch sie."