Menschenraub

Mittwoch, 2.7.1958 18:45  ! Köhlersaal
18:45 Menschenraub

Programmheft SoSe 1958:

Mit dem Film Menschenraub (2. Juli) verlassen wir das Gebiet des reinen Kriminalfilms. Zwar bedient sich dieser Film —dessen deutscher Titel den englischen Originaltitel Ransom, d. h. Lösegeld, nur unvollkommen wiedergibt- noch aller Spannungsmomente des Kriminalfilms. Doch bildet hier der eigentliche „Fall“ und der Versuch ihn aufzuklären — er wird übrigens im Verlaufe des Films nicht aufgedeckt — nur den Hintergrund zu einem stark gesellschaftskritischen Thema. In diesem Film treten die Verbrecher, die den achtjährigen Sohn Andy des Großindustriellen David Stannard entführen, um vom Vater ein Lösegeld von einer halben Million Dollar zu erpressen, überhaupt nicht in Erscheinung.
Wir hören nur einmal zusammen mit dem Vater die Stimme des Kidnappers am Telefon. Und als noch während des Gesprächs vor unseren Augen der polizeiliche Fahndungsapparat mit der Präzision eines Uhrwerks abschnurrt, bis die Telefonzelle ermittelt worden ist, von der aus der Anruf erfolgt war, als das Überfallkommando bei dieser Zelle eintrifft — da ist ein einsam verqualmender Zigarettenstummel das einzige, was dort von dem Verbrecher zurückgeblieben ist. Einmal noch sehen wir die Silhouette eines Mannes vor einem Fernsehgerät, als gerade jene Sendung über den Bildschirm geht, in der David Stannard die halbe Million Dollar vor sich auf dem Tisch ausbreiten läßt und dem Unsichtbaren etwa erklärt, sicher glaube dieser sich schon fest im Besitz der Summe. Aber er werde in Wirklichkeit nicht einen Cent von diesem Geld erhalten, damit nicht er oder andere Gangster zu weiteren Untaten dieser Art ermutigt würden. Dieses Geld solle zu einem Fluch für ihn werden: Es solle demjenigen gehören, der den Kidnapper der Polizei ausliefere.
Und damit werde dieser keine ruhige Minute mehr haben, denn seine Komplizen und Mitwisser würden sich die Chance nicht entgehen lassen, das Geld zu erlangen, und ihn damit kaltblütig dem Henker ausliefern. — Für diese einsame Entscheidung aber fehlt es der „öffentlichen Meinung” und selbst Stannards Frau an Verständnis. Doch die Ereignisse geben dem Vater recht: Unversehrt kehrt Andy in sein Elternhaus zurück.