Das Lächeln einer Sommernacht

Mittwoch, 15.11.1961 20:30  ! Köhlersaal
20:30 Das Lächeln einer Sommernacht

Programmheft WS 1961/1962:

„Wir sind all dessen überdrüssig, des MateriaIismus’ dieser Zeit, des Kapitalismus’, Gottes und des Teufels und vor allem — unserer selbst": dieses Credo des schwedischen Drehbuchautors Rune Lindström („HimmeIsspieI") könnte auch als Motto über dem Frühwerk seines Landsmannes und Generationsgenossen Ingmar Bergman stehen. 1944 leitete er, erst 26 Jahre alt, mit seinem Drehbuch zu Alf Sjöbergs „Hets" die „schwarze" Periode des Schwedenfilms ein. In fast allen Filmen, die er bis 1949 drehte, so in „Krise", „Es regnet auf unsere Liebe”, „Schiff nach Indien" und „Musik im Schatten" werden die Leiden einer Liebe beschrieben, der die Welt ihre Zustimmung versagt. Geht es in diesen Filmen noch darum, daß die (durchweg noch sehr jungen) Helden ihren Platz in der Welt finden, so kämpfen die Protagonisten von „Durst”, „An die Freude" (1949), „Einen Sommer lang” (1950) und „Ein Sommer mit Monika" (1952) um die Behauptung ihres Platzes in der Gesellschaft und die Behauptung ihrer Liebe.

Mit „Das Lächeln einer Sommernacht" präsentiert sich uns ein gewandelter, wenn auch kein durchaus „neuer" Ingmar Bergman. Geblieben ist das zentrale Thema: die Liebe und die Frage nach ihrer Möglichkeit, verschwunden ist die detaillierte Ausmalung trübster Daseinszustände. Die Nerven der Zuschauer werden weniger strapaziert, ästhetischer Genuß wird ihnen nicht verweigert — im Gegenteil: an der ironischen Einsicht in das Spiel des Lebens sollen sie ihre Freude haben.

Die Intrige erinnert an Pirandello, Anouilh, Musset‚ Marivaux, Laclos, auch an den Shakespeare des „Sommernachtstraumes": Frederik Egerman, ein erfolgreicher und genußfreudiger Rechtsanwalt, der aus erster Ehe einen Sohn hat, der Theologie studiert, ist in zweiter Ehe mit der 18jährigen Anne verheiratet, doch die Ehe ist platonisch: Egerman wagt nicht, das erotisch unerweckte Mädchen zu berühren. Henrik, Egermans Sohn, sucht seine unerlaubten Gefühle für seine gleichaltrige Stiefmutter zu ersticken, indem er eine Liebschaft mit Petra, der bedenkenlosen Haustochter, anfängt — eine Beziehung, die ihm indessen mehr Verdruß als Genuß verschafft. Das Wiedersehen zwischen Egerman und seiner früheren Geliebten, der Schauspielerin Désirée, setzt einen skurrilen Reigen in Bewegung: Egerman sucht Désirée auf, in der Hoffnung, von ihr — so oder so — eine Antwort auf seine Liebesnot zu finden; bei dem Besuch wird er von dem Dragoneroffizier Graf Malcolm, dem derzeitigen Geliebten Désirées, erwischt und schmählich hinausgeworfen. Eine Wochenendgesellschaft auf dem Landgut von Désirées Mutter soll nach deren Willen die Auflösung bringen. Zunächst finden sich — nach einem vergeblichen Selbstmordversuch des Theologiestudenten — der junge Egerman und Anne und fliehen gemeinsam; dann provoziert ein Flirt zwischen Egerman und Charlotte, Malcolms Frau, diesen zu einer Duellforderung; das „Russische Roulette" endet mit einer grotesken Pointe.
Egerman kehrt zu Désirée zurück. Malcolm gelobt seiner Frau die Treue, „auf meine Art"‚ dieweil die Haustochter Petra im Heuschober dem Diener Frid das Eheversprechen (buchstäblich) „abringt".

Das einzige Paar, das seine Liebe rein zu verwirklichen vermag, ist das der jungen Liebenden — Henrik und Anne Egerman. Von den Anderen gilt, was der Diener in der Sommernacht räsonniert: „Wir jagen der Liebe nach, aber wir haben sie nicht..." Für Egerman ist sie eine Erinnerung, die er durch planlose Manöver zurückzuholen sucht, Désirée ist die Sklavin ihres Geltungsdranges, Charlotte Malcolm die ihres Geschlechtstriebes, Malcolm selbst der groteske Popanz seiner hirnlosen „MännIichkeit". Sie alle haben der Liebe gegenüber zynisch resigniert; anders die beiden Dienstboten: sie kennen selbst nur animalische Sinnlichkeit, aber sie ahnen die Möglichkeit der reinen Liebe und respektieren sie.

Bergmans Regie, deren Delikatesse noch en detail zu rühmen wäre, distanziert das fragwürdige Geschehen durch Ironie: der grotesken Situationen, der stilisierten Masken und Gesten, der witzig pointierenden Musik, der zugespitzten Dialoge. Daß Bergman die Unzulänglichkeit dieser Welt mit Gleichmut konstatiert, sich sogar versöhnlich zeigt gegenüber den Irrenden (wiewohl nicht gegenüber dem Irrtum) und sich das Pathos des Sittenrichters versagt, hat ihm schon, früher den Vorwurf des Zynismus eingetragen — zu Unrecht, wie wir meinen da das Eingeständnis des Scheiterns dem Ideal (hier: der Liebe) doch eher die Treue hält als die Behauptung, derzufolge hier und heute jedermann frei sei, es durch sein Leben zu vollziehen.

Enno Patalas in Filmkritik