Faustrecht der Prärie

Mittwoch, 24.4.1963 21:00  ! Köhlersaal
21:00 Faustrecht der Prärie

Programmheft SoSe 1967:

Mit Recht wird MY DARLING CLEMENTINE als einer der schönsten und poetischsten Western gefeiert. Ford gibt hier die hochdramatische Story von Wyatt Earp und Doc Holliday und ihren Kampf gegen die Clanton-Bande im Stil eines sentimentalen Volksliedes aus dem amerikanischen Westen wieder, ohne die Regeln des Western zu verletzen. Alle Figuren und Ereignisse sind typische Formen, wenn auch sehr sorgfältig und liebevoll gezeichnet. Einzige Ausnahme bildet die Person Hollidays, dessen zivilisierte Vergangenheit und gewaltbetonte Gegenwart für Augenblicke die psychische Situation dieses Mannes transparent werden lassen. Für Ford gibt es zur Lösung des Hollidayschen Dilemmas nur den stark sentimentalistischen Weg der Selbstverwirklichung. Den Höhepunkt des Films bildet das große Duell am O. K. Corrall von Tombstone; aber man darf darin nicht nur die explosive Szene sehen, die nach alter Sitte jeden anspruchsvollen Western krönen muß. Dafür hatte die Vorgeschichte zuviel Gewicht. Die gelassene Ausgewogenheit dieser Exposition hat bei denen, die den dynamischen Rhythmus von STAGECOACH nicht vergessen konnten, einige Enttäuschung hervorgerufen. Sie haben aber in ihrer Enttäuschung ganz übersehen, mit welch verschwenderischer Liebe zum Detail Ford die Exposition durchgeführt hat, und mit welcher Meisterschaft er jede einzelne seiner Figuren vorstellt. Hier kann man besser als irgendwo sonst studieren, wie sehr sich die dramatische Struktur bei Ford von den Werken aller anderen großen Western-Regisseure abhebt. Einer langsamen linearen Entwicklung, die der Etablierung und Betrachtung der Figuren gewidmet ist, folgt eine Bewegungskurve, an deren Höhepunkt die lange angestaute Spannung zur Explosion gebracht wird.