Der müde Tod

Mittwoch, 5.2.1964 21:00  ! Köhlersaal
21:00 Der müde Tod

Programmheft WS 1994/1995:

Der Tod als Architekt und Erzähler. Ein erzählter Erzähler. In einer Erzählsituation par excellence: Ein altdeutsches Wirtshaus, die Honoratioren des Ortes haben sich versammelt, ein durchreisendes junges Paar macht Rast. Neugier entzündet sich am mysteriösen Fremdling ein paar Tische weiter. Vor Jahren, so wird berichtet, hat er ein Grundstück am Friedhof erworben und eine Mauer darumgezogen ohne Fenster und Tor. Das junge Mädchen, nachdem der Fremde den Bräutigam entführt hat, sucht vergebens Einlaß. Erst der Traum öffnet ihr einen Spalt mit gotischem Spitzbogen. Weiter träumt sie einen Wald mit zahllosen Kerzen, von denen jede eine Lebensgeschichte symbolisiert. Drei führt der Tod ihr vor, keineswegs gleichzeitige, sondern eine im Bagdad der Kalifen, eine im Venedig der Renaissance und eine im alten China spielend. Nichts verbindet sie als ihre verwandte Konstruktion und ihr Personenrepertoire. Ihr Maß haben sie in den Kerzen, die das Feuer verzehrt sie müssen ans Ende kommen, wenn die Flamme erlischt.

Der Film besticht vor allem durch seine architektonischen Strukturen, bei der der Raum auch in die Gestaltung einbezogen wurde. Dies geschieht nicht durch bewegte Kamera und Montage, sondern vornehmlich durch Bauten und Beleuchtung. Langs Bauten bilden aber kein autonomes Ganzes; in der Komposition der Einstellungen und ihrer Abfolge werden sie eigentlich erst geschaffen, so wie sie diese andererseits mitbestimmen. Architektonische Elemente suggerieren die Vorstellung ausgedehnter Komplexe - etwa durch die Mauer um den Besitz des Todesboten oder die Treppe, die in der letzten Einstellung die Liebenden hinanschreiten.

Mit diesem Film wurde nun Fritz Lang nicht nur vom Publikum, sondern auch von den Filmkritikern als großer Regisseur anerkannt. Wie zu seiner Entstehungszeit üblich, wird der Film mit Klaviermusik, die nicht von einer Zelluloidtonspur stammt, sondern an Ort und Stelle (AudiMax) und heutiger Zeit von einem leibhaftigen Pianisten gespielt wird.


 

Programmheft WS 1956/1957:

Mit diesem Film errang F. Lang Weltruhm. Vor den Kulissen Bagdads, Chinas und des Venedig der Renaissance spielt dieses Märchen eines Liebespaares. Das Mädchen kann ihren Geliebten nur durch das Opfer einer anderen Seele dem Tod entreißen. Sie ist aber nicht fähig, diesen Preis zu zahlen, ja im Gegenteil: sie rettet ein Kind aus den Flammen und kommt dabei um; so ist sie schließlich wieder mit dem Geliebten vereint. Die Liebe hat den Tod besiegt. 

Ausleuchtung und Beleuchtungseffekte weiß F. Lang richtig zu diriqieren und auszuwerten. Er erreicht damit eine über den expressionistischen Stilwillen hinausgehende Wirkung.