Die Nacht

Mittwoch, 25.11.1964 21:00  ! Köhlersaal
21:00 Die Nacht

Programmheft WS 1964/1965:

Der Film beginnt mit einem Todeskampf. Eigentlich ist der ganze Film Todeskampf. In einer eleganten Klinik verläßt ein Schriftsteller in der Blüte seiner Jahre mit völlig klarem Sinn ein Leben, von dem wir nur erfahren, daß es ihm die Liebe nicht gebracht hat, die er begehrte. Diese Liebe gilt Lidia, der Frau seines Freundes Giovanni, eines jungen Romanautors, der alles empfangen hat: Liebe, Gesundheit‚ Vermögen, Erfolg. Am Ende dieser langen Nacht, in der sich das Paar (Giovanni und Lidia) seiner Entfremdung bewußt wird, wo sich beide bald einander nähern, bald voneinander entfernen, soll Giovanni dennoch fühlen, daß ihm alles, was er besaß, geflohen ist und daß er nur noch Schatten in den Armen hält. Tommaso (der sterbende Schriftsteller) nahm seine Liebe mit ins Grab. Kann die Liebe Giovannis aus ihrer Asche neu erstehen? Kann die Heftigkeit des Verlangens ein erloschenes Gefühl wiedererwecken? Der Tag erhebt sich wie ein neues Versprechen über nebelumsponnenem Laub zu einer wieder und wieder enttäuschten Hoffnung.

Während Tommasos Leben verlischt, taucht gegen Ende der Nacht eine neue Gestalt neben dem Paar auf: Valentina. Sie ist die Zukunft, das Mögliche, aber trotz ihres klaren Blickes, trotz ihrer Erfahrungen mit dem Erlebten ist sie zu denselben Irrungen, demselben Scheitern verurteilt. Dennoch wird Giovanni von der Anziehungskraft jener Unbekannten, die uns alle packt, gefesselt und zu neuem Erleben geführt. Noch einmal versuchen die Menschen verhohlen, einander kennenzulernen, zueinander zu finden, sich zu vereinen. Werden sie die Grenzen ihrer Einsamkeit überschreiten können?

. . . »LA NOTTE greift das Grundthema von L’AVVENTURA wieder auf und deutet in Bildern und Worten an, was man nicht sieht, was sich nicht ausdrücken läßt: die unsichtbare, unsagbare und dennoch spürbare Vollendung einer Liebe, oder vielmehr ihr ungreifbares Zerbröckeln. Neu ist, daß es sich hier nicht um eine kurzlebige Verbindung handelt, sondern um eine Ehe, die vielleicht in ihrem zehnten Jahr soweit gelangt ist. Die Gatten erkennen den Tod ihrer Liebe am Erlöschen ihrer Eifersucht. Hinzu kommt jedoch das andere Motiv, das in L’AVVENTURA angedeutet ist: die Kunst wird dem Geld geopfert*).«

*) Zitat von Claude Mauriac, Le Figaro Littéraire, 25.2.1961