Zazie

Mittwoch, 16.2.1966 21:00  ! Köhlersaal
21:00 Zazie

Programmheft WS 1965/1966:

Dieser Film ist eine juxhafte Stilübung. Der Hauptfigur Zazie, dieser kleinen Pest, die gleichzeitig den »fortschrittlichen« Geist eines Mitglieds der Academie Goncourt und die Pariser Schnodrigkeit, den Nonkonformismus in seiner aggressivsten, ja gröbsten Form symbolisierte, dieser Gestalt also konkrete Form zu geben, schien schwer. Das Ergebnis dieser realistischen Interpretation entspricht daher nur teilweise. Es ist einem gar nicht wohl mit der unschuldigen kleinen Darstellerin: die Filmleute genierten sich nicht, diese Gören in eine triviale Welt zu verpflanzen und sie monatelang darin zu üben, wie man überzeugend Worte von sich gibt, die die kleinen Mädchen zu lehren man sich aus selbstverständlichen Gründen immer verboten hat.

Der Film präsentiert sich als ein Basar komischer Effekte. Jede Szene zeigt eine verblüffende Folge von Gags aller Arten. Eine solche Fülle gewollter Wirkungen, Sekunde um Sekunde, verdient Anerkennung. Aber die Gags kommen hintereinander und sind sich nicht gleich, d. h. sie zerfallen in zwei unterschiedliche Teile. Eine große Zahl der komischen Erfindungen muß wegen ihrer extremen Originalität bewundert werden. Die anderen erregen Bestürzung: sei es, daß ihre Kinderei das Maß überschreitet, sei es, daß sie übertrieben willkürlich erscheinen.

Da der Regisseur Louis Malle dem Film häufig Erklärungen vorausschickte‚ wissen wir, daß er die Sprache des Films so »desintegrieren« wollte wie Queneau die Schrift-Sprache. Dieses Bestreben wird wirkungsvoll unterstützt durch die von Mack Sennett inspirierten Tricks (Zeitlupe und Zeitraffer). Ein hervorragendes, humoristisches und satirisches Bravourstück ist die Fahrt durch die verstopften Pariser Straßen mit einem Auto, das seine Mucken hat.

Louis Malle vermag deutlich zu machen, was er in »Zazie« anstrebt: Das grausame Bild einer sogenannten Zivilisation durch die — aus der Wirklichkeit entwickelten — Verrücktheiten zu zeigen.