Sterben für Madrid

Mittwoch, 6.12.1967 21:00  ! Köhlersaal
21:00 Sterben für Madrid

Programmheft WS 1967/1968:

Hier ist ohne Frage ein Film entstanden, der — in der Ausgewogenheit seiner Komplexe gegeneinander — rhythmisch den Ablauf der historischen Ereignisse des spanischen Bürgerkrieges erstaunlich gut wiederspiegelt. Rossif beginnt mit Bildern, die im heutigen Spanien aufgenommen sind — arme Tagelöhner, die auf ihren Maultieren zur Feldarbeit reiten — aber genausogut aus dem Jahre 1931 stammen könnten: die alte Ordnung, die Ordnung vor der Republik ist wiederhergestellt. Der Kommentar beschreibt sie: „Spanien 1931. 503 061 Quadratkilometer — fast so groß wie Frankreich. 24 Millionen Einwohner. In diesem Jahr 1931 ist die Hälfte der Bevölkerung — 12 Millionen — Analphabeten. Es gibt 8 Millionen Arme. Es gibt 2 Millionen Bauern ohne Land. 20 000 Personen sind im Besitz der Hälfte des spanischen Bodens. Ganze Provinzen sind im Besitz eines einzigen Mannes . . . .”

Während diese Fakten vom Sprecher vorgetragen werden, interpretieren sie sich auch schon selbst: diese Regierungsform und diese Gesellschaftsordnung . . . . schreien geradezu nach einer demokratischen und sozialen Revolution, und — wer wollte sich wundern? — sie bergen genug Zündstoff für, eine kommunistische, ja für eine anarchistische (Spanien war zu der Zeit das einzige Land Europas, in dem der Anarchismus politisch noch eine Rolle spielte). Die Monarchie wird durch die Republik abgelöst. Aber hat es in Europa eine Republik gegeben, der eine schwerer abzuleistende fremde Hypothek in den Schoß gefallen wäre? Die Bedrohung dieser Republik von rechts wie von links ‚ bringt Thomas auf die treffende Formel: „Wie die Anarchisten glaubten, die neue Welt mit der Pistole und der Aufklärung schaffen zu können, so glaubten die Carlisten an die Wiederherstellung der alten mit Maschinengewehr und Meßbuch.” Dieser Republik wird nach knapp fünfjährigem Bestehen durch den Aufstand von vier Generälen und den darauf folgenden dreijährigen Bürgerkrieg brutal die Chance abgeschnitten, sich weiterzuentwickeln Rossif bedauert das; er fühlt heute wie jene Tausende von Männern aus Europa und Amerika, die damals nach Spanien eilten, um die Demokratie vor der Diktatur zu retten . . . . .

So muß Rossifs Film historischer Bericht und Klagelied in einem sein. Er trägt seine Klage mit der nötigen sachlichen Distanz vor. Er versagt sich weitgehend Montagespielereien. Es gelingt ihm, „wochenschaumäßig” nüchtern zu schneiden, ohne jedoch den Zuschauer zu ermüden (eine große Gefahr bei Filmen dieses Genres).

(Th. Kotulla in FK 11/64)