Intime Beleuchtung

Mittwoch, 22.5.1968 21:00  ! Köhlersaal
21:00 Intime Beleuchtung

Programmheft SoSe 1968:

Nach 4 Jahren Studium an der Prager Filmhochschule war lvan Passer zunächst als Regie-Assistent und Drehbuch-Coautor tätig, u. a. bei Jasnys „Wenn der Kater kommt“ und bei allen Filmen von M. Forman. Mit Forman verbindet Passer der Blick für Skurrilitäten und Ungereimtheiten des Alltags. Von Forman stammt auch das Grundmotiv des Menschen, der in eine ihm fremde, inadäquate Ordnung eingegliedert ist und sich an ihr reibt. Forman beschränkt sich dabei auf Jugendliche.

Passers Hauptfigur gehört zur mittleren Generation und hat sich ihre Lage selbst zuzuschreiben. Bambas, ehemals talentierter Absolvent der Musikhochschule, versauert in einem Landstädtchen. Er leitet dort die Musikschule und plagt sich mit einem Amateur-Orchester herum. Bambas musikalische Selbstverleugnung, sein Verzicht, etwas aus seiner Begabung zu machen, haben sich parallel zu seiner EingIiederung in die Welt kleinbürgerlich-ländlicher Gewohnheiten und Vorstellungen vollzogen, wie sie seine Frau und seine Schwiegereltern prägen.

Der Besuch seines Freundes Peter, der die Handlung des Films ausmacht, stört mit seiner Bewegung das System statischer Zuständlichkeit. Die Begegnung mit seinem Gegenbild, mit einer Verkörperung der von ihm verspielten MögIichkeiten, zwingt Bambas, sich seiner eingeengten Lage bewußt zu werden.

„Ich verspüre nicht die Notwendigkeit, mich zu bestimmten Problemen zu äußern oder mit bestimmten aktuellen Themen zu poIemisieren." Passer hat nicht viel Sinn für Konflikte, schon gar nicht für den Widerspruch zwischen künstlerischer und bürgerlicher Existenz. Gegensätze lösen sich bei ihm im Komischen auf.

Jene provinziell-rustikale Welt der kleinen Leute, deren suggestives Porträt entsteht, ist ambivalent. Es hängt vom Zuschauer ab, wie er sie bewertet; die Zeit scheint an ihr vorüberzugehen.

In diesen kauzigen Charakteren, voller Kanten und SchruIlen, spiegelt sich offensichtlich etwas vom tschechischen Nationalcharakter‚ etwas vom Geiste Schweiks. Passer würdigt das. Darin unterscheidet er sich von Naturen wie Forman und besonders Jiri Menzel (Liebe nach Fahrplan), die ihre Gestalten teilweise oder ganz der Lächerlichkeit preisgeben, die ihre Späße auf Kosten anderer machen. Auf Passer trifft damit letztlich der gleiche Dualismus von Skepsis und Romantizismus zu, den man den meisten jungen tschechischen Talenten nachsagt.

Nach Filmkritik 2/68