Protest

Mittwoch, 15.1.1969 21:00  ! Köhlersaal
21:00 Protest

Programmheft WS 1968/1969:

Der junge Revolutionär Morgan ist mit Leonie verheiratet, einer reichen Bürgerlichen. Sie schickt ihn zu den griechischen Trümmerfeldern‚ um sich während seiner Abwesenheit in Ruhe scheiden lassen zu können. Auf sie wartet der Kunsthändler Charles Napier, der ihr statt Morgans exzentrischer Späße ein sicheres und ruhiges Leben zu bieten verspricht. Morgan reagiert auf Kommunardenart: er spielt dem Ehepaar in spe Streiche mit Skeletten im Bett, Bomben darunter und Tierstimmen und Raketen-Countdown im Schlafzimmer. Als das nichts hilft, entführt er Leonie mit Hilfe eines Catchers, der unter dem Namen Gorilla auftritt, in paradiesische Einsamkeit. Doch bestärkt er sie nur in ihrem Entschluß, Napier zu heiraten. Die HochzeitsgeseIlschaft schließlich stört er im King-Kong-Kostüm. Als Gärtner in der Heilanstalt legt er dann Blumenrabatten mit Sowjetstern und Hammer-Sichel-Emblem an, während Leonie ein Kind von ihm erwartet.
Durchgehende und folgerichtige Struktur dieses Films ist die Spaltung. Regisseur Reisz konkretisiert sie an dem Verhältnis zwischen Phantasie und Wirklichkeit, Kunst und Leben, Wollen und vollbringen, Herkunft und persönlicher Entwicklung, Umwelt und Individuum, Streben nach Sicherheit und Liebe, sozialer Theorie und gesellschaftlicher Wirklichkeit und nicht zuletzt an dem Nebeneinander von menschlichem und tierischem Verhalten. ln Morgan zeigt er einen Typ, der sich dieser Spaltung bewußt ist und eine Synthese versucht, indem er dem jeweils Ursprünglichen den Vorrang einräumt, spielerisch zuerst, dann bissig und gereizt nach einer Kette von Mißerfolgen. Er stellt das die Darwinsche Abstammungslehre beweisende fehlende Bindeglied zwischen Mensch und Affe in vollendeter Form dar. Die Tarzan-Filme und King-Kong liefern ihm Vorbilder. Diese Schau der kulturellen Entwicklung und des Leidens an ihr hat Reisz mit erstaunlich leichter Hand inszeniert. Die Verrücktheiten, die sich sein Held einfallen Iäßt, die zahllosen Gags, mit denen die Handlung gespickt ist, sind genauestens eingeplant, ohne allerdings ihres spielerischen Charakters beraubt worden zu sein. Reisz liefert eine Komik, die die Satire oder Ironie an Schärfe bei weitem übertrifft, weil sie unauffällig und unterkühlt daherkommt. Erst bei aufmerksamem Betrachten entdeckt man hinter der rasanten Bild- und Wortkomik eine Kulturkritik, die an Aggressivität kaum zu übertreffen ist.