King and Country

Mittwoch, 11.6.1969 21:00  ! Köhlersaal
21:00 King and Country

Programmheft SoSe 1969:

Der Film erzählt die Geschichte des Private Hamp, der im Ersten Weltkrieg seine Truppe verläßt und dafür hingerichtet wird.

Auf den ersten Blick kann „King and Country“ wohl als ein weiterer der ungezählten gutgemeinten Kriegsfilme erscheinen‚ die dem Krieg, seinem Grauen und seiner ldiotie, glauben beikommen zu können, indem sie die Beschränktheit einzelner Exponenten des militärischen Systems herauskehren. Doch Losey weiß, daß ein Film gegen den Krieg in erster Linie nicht das militärische System angreifen muß, sondern das Gesellschaftssystem‚ das solche Kriege zuläßt. Der Krieg wird von Losey nicht als das negative Gegenbild friedlicher Zeiten vorgestellt, sondern als Zuspitzung von Widersprüchen allgemeinerer Natur, die auch dem einzelnen die Natur der Widersprüche, in die er verwickelt ist, deutlicher machen mag. Nicht „der Krieg“ hat den Soldaten Hamp getötet, sondern daß er den gesteigerten Ansprüchen die die Gesellschaft im Krieg an den einzelnen stellt, nicht länger genügte. Ohne Bewußtsein, so wie er stets „mitgemacht“ hatte, versuchte er auch „auszusteigen“, als die Anstrengung zu groß wurde. In Hamp und seinem Verteidiger, dem Hauptmann Hargreaves, begegnen einander zwei verschiedene Systeme der Anpassung, Klassensysteme. In der unterschiedlichen Sprache macht der Film den Gegensatz sinnfällig, im Versuch der Kommunikation über die Klassenbarriere hinweg aber auch das Komplizentum der Sklaven mit den Herrschenden. Das drückt sich schließlich auch aus in der Prozeßparodie, die wohl auch die Heuchelei in dem Verfahren zum Ausdruck bringt, zugleich aber auch das heimliche Einverständnis der Opfer, die spielend die Herrschenden nachahmen.

„Für mich ist dies die Geschichte von Menschen verschiedener Herkunft, die in derselben Falle gefangen sind, es ist die Geschichte dieser Falle, der Gesellschaft, in der sie leben Für mich ist es einfach ein Film über die Servilität unserer Gesellschaft, unserer Epoche, Servilität des Herren, Servilität des Dieners und Servilität in der Haltung aller Arten von Menschen, die verschiedene Klassen und Situationen vertreten Es ist ein Film über die Servilität als Geisteszustand.“ Nicht über „King and Country“ äußerte Losey dies, sondern, ehe er ihn überhaupt drehte, über seinen vorhergehenden Film, „The Servant“. Was dort im Nachvollzug eines individuellen Falles erfahrbar gemacht wurde, erschließt sich hier, bei einem der Identifikation verschlossenen Material, erst im Blick auf die filmische Verfahrensweise.

Enno Patalas nach „Filmkritik” 12/67