Was?

Donnerstag, 11.5.1978 19:00  ! Audimax
19:00 Was?

Programmheft SoSe 1976:

Nancy kann mit Mühe drei zudringlichen Typen entkommen, die sie im Auto mitgenommen hatten, und sucht Schutz in einer Villa. Aber sie ist in ein wahres Tollhaus geraten, voll mit spinnerten, grotesken oder auch ernsthaft neurotischen und durchweg sexbessenen Herrschaften. Mal oben ohne, mal unten ohne und schließlich ganz, weil man ihre Sachen gestohlen hat, geht sie eine Zeitlang auf diese gemischte Gesellschaft ein und flieht am Ende auf einem Lastwagen mit Schweinen — unter anderem, weil ja der
Film mal ein Ende haben müsse.

Was ”WAS?” soll, ist nicht ganz leicht auszumachen. Carlo Ponti hatte dem durch das ”MACBETH”-Debakel angeschlagenen Polanski das Projekt vorgeschlagen. Idee, Buch, Team, Regie waren seine Sache, die Bedingung: er müsse in der leeren Ponti-Villa bei Amalfi drehen und bekomme nur einen Star. Polanski akzeptierte und drehte eine skurrile Komödie, die in vielem eher an seine frühen polnischen Kurzfilme als an die späteren Langfilme anknüpft.

Mastroianni der Star, ist mit sichtlichem Vergnügen ein schmieriger, verluderter Strizzi, Polanski selber spielt einen boshaften, sich ewig prügelnden Harpunisten, und Sydne Rome tapst mit Kulleraugen, naiv, bereitwillig und unschuldig durch das Haus wie der Zuschauer durch den Film, läßt sich, wie wir, auf alles ein und wird, wie
wir, immer wieder genasführt.

Immerhin kann sie dabei alle Qualitäten eines Polanski-Films entdecken: die genauso barocke wie sensible Liebe zum Bunten, phantastischen, Sinnlichen, zum Theatralischen und zur Künstlichkeit des Kintopps; die Neigung zum Geheimnisvollen‚ Makabren‚ Übersinnlichen, zu Leuten mit einem Tick, die aber immer psychologisch motiviert und geradezu scheinheilig plausibel in der Alltagsrealität verankert werden; ....

”Es röchelt ständig im Hause”, schreibt Nancy in ihr Tagebuch. Nicht nur das: Fürchterliches Schnarchen, lustvolles Stöhnen, Fläche, Freudenschreie, Grillenschnarren‚ Todesrasseln‚ Hundebellen‚ Pingpongbälle, Türenknarren und Schubert vereinen sich
zu einer Geräuschorgie, die ein schönes Horror- oder Vampir-Hörspiel ergeben müßte. Zwischendurch wird Mozart gespielt, vierhändig in Bild und Ton, so selbstverständlich und unsinnig wie eine Harfeneinlage bei Harpo Marx.

Vor allem geht es um Sex. Verkleidungsfetischisten, Voyeure‚ Perverse, Sadomasochisten und Dauerbedürftige bevölkern die Villa und umschwärmen das arme, seiner Kleidung beraubt Mädchen, dauernd halten sie sich die bei irgendwelchen Kämpfen lädierten Kostbarkeiten: Polanski kommentiert drastisch und sarkastisch die Sexwelle und verspottet ihre Protagonisten.

Er selbst wird noch immer von Gerüchten und vom Klatsch verfolgt, wozu wohl seine gereizten Interviews, seine Kühle, spielerisch — arrogante Umgangsart und sein feudaler Lebensstil ihren Teil beitragen. Noch immer muß er versichern, er wolle nicht in Horror und Blut sein Manson—Trauma abreagieren, suche nicht nur Sharon-Tate-ähnliche Freundinnen und Schauspielerinnen und sei kein Gruselspezialist‚ der die Geister bannen könne, die er einmal gerufen habe. Man wird ihm all das nichtsdestoweniger auch in seinem neuen Film nachzuweisen versuchen. ”WAS?” wird das überstehen.

DIE ZEIT - Nr. 7 - 9.Februar 1973 WOLF DONNER