"Jede Epoche dürstet nach dem, was ihr folgen wird!"
"Metropolis" ist die Urmutter der dystopischen Megacities, jener Idee des Turmbaus zu Babel, die Katastrophen birgt, schon aufgrund der Kühnheit ihres Entwurfs. Die Riesenstadt, die ihren Bewohnern künstliche Paradiese bietet, errichtet von einem Sklavenheer, das den Keim der Rebellion, des implizierten Aufruhrs birgt. Aus diesen künstlichen Welten kommen die künstlichen Menschen, die Androiden und Cyborgs, vernetzte Gigamaschinen, die eine weitere Utopie darstellen, die nächste Stufe der Evolution oder deren endgültiger Niedergang.
In Metropolis werden in expressionistischer Manier die Konflikte der Zeit mit dem größten Holzhammer der Kinogeschichte auf die Leinwand genagelt. Da türmen sich die Kreuze der Erlösung und wimmelt es von mystischen Drudenfüßen, die Wissenschaft entspringt der Alchemie, immer höher türmen sich Bauten und Machtgelüste der Herrscher und das Finale gipfelt auf dem First des Domes. In Metropolis verläuft der Widerstreit zwischen verschiedenen architektonischen Prinzipien, die die Menschen auf Insektengröße schrumpfen lassen. Mittelalterliches Mysterienspiel und futuristischer Maschinenkult vereinigen sich im Hexensabbat um die Roboterfrau.
1927 schuf Fritz Lang einen Meilenstein der Filmgeschichte und und keiner wollte es sehen. Wie kein anderer Film wurde er zerstückelt und zerschnitten. Wir zeigen euch jedoch die neu restaurierte und mit der Originalmusik von Huppertz untermalte Fassung.
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Programmheft WS 1960/1961:
„Fritz Lang hat später selbst einmal berichtet, wie ihm die Idee zu diesem weltbekannt gewordenen Film kam: aIs er zum erstenmal in den Hafen von New York einfuhr und die nächtliche Stadt im Glanz und Schimmer unzähliger Lichter vor sich aufragen sah. Die für Metropolis aufgebaute Stadt war eine Art von überlebensgroßem New York; sie wurde nach dem sogenannten Schüfftan-Verfahren aufgenommen, das mit Hilfe geschickt angebrachter Spiegel winzige Ateliermodelle als Riesenbauten erscheinen ließ. Diese Film-Metropole der Zukunft bestand aus einer Unter- und einer Oberstadt. Die Oberstadt, ein Viertel gewaltiger Hochhäuser, deren breiträumige Straßen von einem unaufhörlichen Wagenstrom durchzogen, von Verkehrsflugzeugen beständig überflogen wurden‚ war das Reich des Großunternehmertums‚ der hochbezahlten Angestellten und einer vergnügungssüchtigen ‚jeunesse dorée’. In der Unterstadt bedienten die Arbeiter, vom Tageslicht abgeschnitten, ihre ungeheuerlichen Maschinen. Sie waren keine Arbeiter mehr, sondern zu Sklaven geworden. Der Film handelt vom Aufstand der Tiefe gegen die Oberwelt und endet mit der Versöhnung von Unten und Oben.
Die eigentliche Handlung war jedoch — um rein äußerer Effekte willen — von vielerlei nebensächlichem Beiwerk umrankt- und durchzogen... der dekorative Stil war zum Selbstzweck geworden...
'Metropolis' beeindruckte das deutsche Publikum. In Amerika schätzte man die technisch hervorragenden Leistungen des Films, in England verhielt man sich kühn; die Franzosen fühlten sich beunruhigt von einem Film‚ der ihnen als eine Kreuzung von Krupp und Wagner und alles in allem als warnendes Anzeichen deutscher Vitalität erschien.
(S. Kracauer „Von Caligari bis Hitler”)
„Um die plastische, leuchtende Schönheit bestimmter Einstellungen von ‚Metropolis’ finden zu können, müssen wir — wie bei vielen deutschen Filmen — verstehen, über die Schlacken, die sie verschütten, hinauszukommen... Die geometrische Stilisierung die aus der expressionistischen Stilkonzeption stammt, verleitet Lang niemals zu einer billigen Routine. Seine zur Architektur gewordene Menge bleibt trotzdem lebendig... Wie in allen seinen Filmen handhabt Lang das Licht mit einer bewundernswerten Meisterschaft... Mit Licht scheint sogar der Ton erzeugt zu werden: Das Pfeifen der Fabriksirenen wird durch grelle Strahlenbündel, die übrigens auf das Negativ gemalt worden sind, anschaulich zum Ausdruck gebracht,und man glaubt sie fast zu hören."
(L. Eisner „Dämonische Leinwand")