Der Vagabund und das Kind | Charlie Chaplin - Goldrausch

Charlie Chaplin Abend I

Donnerstag, 2.5.1985 21:00  ! Audimax
21:00 Der Vagabund und das Kind

Bei Charlie Chaplins "The Kid" (1921) handelt es sich um eine Stummfilm-Tragikomödie und Chaplins erster Langfilm in Eigenregie. Der Film handelt von einem Tramp (Vagebund), welcher einen kleinen Jungen findet und aufzieht, was sich aber als nicht gerade leicht herausstellt. Dass der Film dabei komische und auch tragische Momente verbindet, machte ihn zu seiner Zeit einzigartig.

Die Filmmusik wurden 1971 von dem inzwischen über 80-jährigen Chaplin selbst komponiert.

 

Programmheft WS 1962/1963:

„The Kid” ist Chaplins erster „abendfüllender” Film — sieht man ab von „Tillie's Punctured Romance” von 1914, bei dem aber noch Chaplins Lehrer Mack Sennett die Regie geführt hatte. Seit der Essanay-Periode (1915-1916) und der MutuaI-Periode (1916 — 1917) wurden Chaplins Filme allmählich länger, erst für die First National (1918 — 1922) drehte er aber Streifen von Über 800 Meter Länge, „Shoulder Arms” (1918) war der erste Film mit Über 1000 Metern, „The Kid” nun erreichte mit 1700 Metern die Länge eines „normalen” Spielfilms. Diese Entwicklung war nicht rein statistischer Natur: sie bedeutete die Abkehr von der Sketch-Dramaturgie der „Slapstick Comedy”‚ von der Tyenkomik und vom isolierten Situationsgang, und die Hinwendung zur „Erzählung”, zum Charakter und zur Tragikomödie.

Der frühe Charlie — nach seiner „Konstituierung” als profilierter Charakter in den Filmen von 1915-1917 (vgl. „Easy Street”, 1916) — war eine durchaus untragische Natur, ein infantil-aggressives Instinktwesen, dessen einziger Zug sein Selbsterhaltungstrieb war. Erst in „A Dog's Life” (1918), dem ersten Film der First-NationaI—Periode, zeigt er einem lebendigen Wesen gegenüber eine Haltung, die nicht von egoistischem Haben-Wollen bestimmt ist. In diesem Film war der Hund Scraps Charlies Gefährte, in „The Kid” ist es der Findeljunge Jackie.
Von seiner Mutter ist der kleine Jackie ausgesetzt worden; statt, wie sie hoffte, von reichen Leuten, wird Jackie von Charlie, dem Tramp, gefunden und aufgezogen. Die beiden sind unzertrennlich: Jackie wirft die Fensterscheiben ein, die Charlie dann für einen Dollar reparieren darf, Charlie ist Jackies Retter in den Prügeleien mit größeren Jungen. — Nicht länger ist reiner Selbstbehauptungswillen die Triebkraft von Charlies Handlungen, sondern der Wunsch nach Gemeinsamkeit‚ nicht nur seine eigene lntegrität verteidigt er jetzt gegen die feindliche Umwelt, sondern seinen Adoptivsohn und ihr Zusammensein.

Im Zwiegespräch von Charlie und Jackie gewinnt „The Kid”_ eine menschliche Wärme und Intimität und einen Reichtum an Stimmungsnuancen‚ die in den früheren Chaplin-Filmen unbekannt ist. Da ist etwa jene rührende Szene, in der Charlie und Jackie im Schlaf dieselben Bewegungen vollführen, oder gleich der erste Auftritt Jackie Coogans, als er sich sorgfältig die Fingernägel feilt — schon ganz der „Sohn seines Vaters”. Erst durch die Intimität des Verhältnisses zwischen Charlie und Jackie wird seine Störung möglich und damit jene Mischung aus Komik und Tragik, die künftig Chaplins Werk bestimmt.

Eine Entwicklung — des Geschehens, des Charakters — hatte es in den früheren Filmen ebenfalls nicht gegeben: Charlie war eine starre Schablone, jene Szene variierte nur die früheren, mochten sie auch noch so kunstvoll miteinander verknüpft sein. Erst in den Filmen der First-National-Periode und vor allem in „The Kid” erscheint Charlie als ein Charakter, innerer Regungen fähig, in dialektischem Wechselspiel mit seiner Umgebung — nicht nur ihr unversöhnlicher Widersacher, und erst damit kann ein Geschehen sich entwickeln, das nicht nur immer wieder ein-und-dieselbe Situation einfallsreich umspielt. Von welcher Subtilität ist doch die Exposition des Verhältnisses Charlie — Jackie: wie der Tramp das Kind entdeckt, sich von dieser Belastung zu befreien sucht — ganz der alte, egoistische Charlie, wie er es resignierend zu sich nachhause nimmt und schließlich sein bester Freund wird.

Chaplins soziales Verständnis, seine Sympathie mit den Erniedrigten hat sich, den frühen Filmen gegenüber, vertieft; nie zuvor war sein Spott gegen die Gesellschaft so treffsicher gewesen wie in jener Szene, in der er Jackie die Fensterscheiben einwerfen läßt, die dann der Tramp reparieren darf. Nur noch selten steht ein komischer Einfall beziehungslos da, fast stets wird hinter der „Tücke des Objekts” die Tücke der Gesellschaft sichtbar.

Andererseits begegnen die herkömmlichen Stilelemente Chaplins in schöner Vollendung: das Tänzerische (etwa in Charlies Jagd über die Dächer), das Ballett (in der Traumszene‚ in der Charlie und die Bewohner seines Viertels als Engel auftreten), die Verwandlung der Objekte (Charlie zählt Kartoffelpuffer ab wie Geldscheine, trägt seine schadhafte Bettdecke als Toga usw.), das „Mimodram” (Charlie schneidet zu Jackies Unterhaltung Grimassen) — sie alle in einem Reichtum, dessen detaillierte Untersuchung den Rahmen der Kritik sprengen würde.

(E. Palatas in „FiImkritik”)

Kammerorchester an der TU Darmstadt
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Alaska 1898: Im Goldrausch stürzt sich auch Charlie in das gefahrvolle Leben der Goldschürfer: Hunger, Kälte, Einsamkeit. Ein Schneesturm verschlägt ihn in ein Lager. Dort trifft er den steckbrieflich gesuchten Halunken Black Larson und den Goldgräber Jim. Um so trostloser die Lage, um so erheiternder sind die Einfälle des Tramps.

Der Film zeigt all das was Chaplin ausmacht. Eine Mischung aus Klamauk und Pantomime, Sozial Satire sowie Momenten der Dramatik, Emotionalität und Zärtlichkeit.

BC