Germinal

Dienstag, 8.11.1994 20:00 Audimax
20:00 Germinal

Programmheft WS 1994/1995:

Obwohl Germinal ein Klassiker französicher Literatur ist, wurde diese düstere Bergarbeiter-Geschichte vom »Hohepriester des Naturalismus” Emile Zola (1840-1902) erst dreimal für das Kino adaptiert. Es existieren zwei Stummfilmversionen aus den Jahren 1912 (Regie: Victor Jasset) und 1913 (Regie: Albert Capellani), 1963 folgte die erste Tonfilmbearbeitung von Yves Allégret. Um so gespannter durfte man nun auf die neue, 45 Millionen DM teure Produktion von Claude Berri (Produzent von »Der Bär”, Regisseur von »Jean Florette”, »Manons Rache”) sein, die alles, was das französische Kino an Stars hat, aufbietet. Die Meinungen über den fertigen Film teilten sich dann extrem: Von »Germinator - der französische Jurassic Park” bis »Geniales Meisterwerk” war so ziemlich alles zu lesen. Unbestreitbar bleibt jedoch der Erfolg, den das monumentale Werk beim Publikum hatte.

Germinal war im französischen Revolutionskalender der Monat des Keimens (März/April) symbolisiert bei Zola das unterirdische Gären, den Anbruch einer sozialen Revolution, mit der sich das Proletariat von der Unterdrückung durch die Bourgeoisie zu befreien sucht. Die Handlung spielt Mitte des vorigen Jahrhunderts im nordfranzösischen Kohlerevier. Die Familie des Bergmanns Maheu (Gerard Depardieu) lebt und stirbt mit der Zeche »Le voreux”. Ein neuer Kollege, Etienne Lantier - erstaunlich stark für sein Filmdebüt: der Sänger Renaud - macht die Kumpel auf die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen auf der Zeche aufmerksam und sorgt für eine Politisierung der Bergleute. Als die Grubenbesitzer verdeckte Lohnkürzungen durch neue Akkordberechnungen durchdrücken wollen, kommt es zum unvermeidlichen Streik, der blutige Folgen hat.

»Tatsächlich hat der Film alles, was großes Kino auszeichnet: ein packende Geschichte voll Liebe und Schmerz, eingebettet in ein kritisch betrachtetes Zeitpanorama, und ein Regisseur für stimmungsvolle Literatur-Verfilmungen ... Die stärksten Auftritte haben wie bei Zola die Frauen: wie Miou-Miou das Dahinsterben ihrer Familie jedesmal schauspielerisch anders auflöst, minimal und nur mit einem kurzen Aufschrei aus dem »Off”, dann wieder nur mit einem unendlich traurigen Blick das geht durch Mark und Bein, ohne sentimental zu wirken. Und Catherines Hin- und Hergerissenheit zwischen dem »Geist” von Etienne und dem »Körper” von Chaval interpretiert Judith Henry so überzeugend, daß man sich ihr an diesem Konflikt zu zerbrechen glaubt. Das sind Sternschnuppen am Filmhimmel.” (filmdienst).