Iwans Kindheit

Mittwoch, 8.1.2003 20:00  ! Programmkino Rex
0:00 Iwans Kindheit

Mit diesem Film beginnen wir eine Reihe "Aus Kinderaugen gesehen", die wir jeden ersten Mittwoch dieses Jahres fortführen werden. Eine Reihe großer Meisterwerke und sehr persönlicher Filme: denn wenn Filmregisseure Kinder in Filmen, die für ein erwachsenes Publikum gedacht sind, benutzen, so entweder, weil sie so einen besonderen, unvoreingenommenen Blick auf die Welt werfen können, oder weil sie einen Film über ihre eigenen Kindheitserinnerungen schaffen. Wir starten im Januar mit einem Film der ersten Sorte, im Februar folgt mit Fellinis "Amarcord" einer der zweiten.

Regiegenie Andrej Tarkowskij benutzt die Figur eines Kindes, um die Grausamkeit des Krieges darzustellen, und ihm ist dabei einer der bemerkenswertesten Anti-Kriegsfilme überhaupt gelungen. In außergewöhnlicher Bildsprache stellt er da, wie der Zweite Weltkrieg einen zwölfjährigen Waisenjungen seelisch und körperlich zerstört, der an der Front als Kundschafter für die russische Armee eingesetzt wird.


Programmheft SoSe 1992:

Durchnäßt und verfroren ist der 12jährige Iwan, als er am Ufer des Dnjepr von russischen Soldaten aufgegriffen wird. Sein Vater ist zu Beginn des II. Weltkriegs gefallen, seine Mutter und seine Schwester wurden vermutlich umgebracht. Er selbst konnte dem Todeslager, in dem er interniert war, entkommen.

Er gelangt schließlich zu einer Aufklärungsabteilung der Roten Armee, die ihn als Späher einsetzt. Nur in seinen Träumen ist er noch ein Kind, und er schämt sich dieser Träume.

Schon mit dem Erstlingswerk erregte Andrej Tarkowskij, der als einer der größten Filmregisseure aller Zeiten gilt, große Aufmerksamkeit.

Er interessiert sich dabei weder für die sentimentale noch für die heroische Seite dieser Geschichte, sondern er zeigt die Geschichte eines Charakters, der vom Krieg geboren und von ihm verschlungen wird - mit Bildern, die ihm bislang noch niemand nachmachen konnte.

Goldener Löwe für den besten Film in Venedig 1963, Großer Preis des Festivals in Mexico, Preis für beste Regie in San Franciso usw. Ein Meilenstein der Filmgeschichte!


Programmheft SoSe 1966:

Durchnäßt und verfroren ist Iwan, als er eines Abends am Ufer des Dnjepr von russischen Soldaten aufgegriffen wird. Sein Vater ist zu Beginn des Krieges gefallen, Mutter und Schwester sind verschollen, vielleicht tot. Er selbst wurde in ein Konzentrationslager gebracht, entkommt jedoch und gesellt sich zu Partisanen. Schließlich gelangt er zu einer Einheit der Roten Armee und wird in einer Aufklärungsabteilung als Späher eingesetzt. Iwans Haß gegen die Deutschen kommt seinen Auftraggebern ebenso entgegen wie seine naive Sucht, sich als Held zu bewähren. Schließlich siegt jedoch ihr Verantwortungsgefühl und Iwan soll auf eine Militärschule geschickt werden. Er reißt jedoch aus und unternimmt Erkundungszüge auf eigene Faust. Als ihn die Offiziere noch einmal hinter die feindlichen Linien schicken, kehrt er nicht mehr zurück. In Berlin entdeckt man am Ende des Krieges eine Akte, aus der hervorgeht, daß Iwan von den Deutschen als Partisan erschossen worden ist.
Tarkowski charakterisiert in diesem Film den Krieg nicht durch das Grauen, das mit ihm einhergeht, sondern hauptsächlich durch das, was die Menschen durch den Krieg verlieren. In Träumen und Wachträumen erleben sie das, was ihnen der Krieg vorenthält. Die Charaktere, die Tarkowski zeichnet, sind nicht frei von einer gewissen Bilderbuchfreundlichkeit, die dem Kriegszustand wenig entspricht. Allein der Charakter Iwans ist differenzierter, er allein läßt erkennen, daß der Krieg denaturiert. Angestrengt sind Iwans Versuche, es den Erwachsenen gleichzutun, und in seinem Haß übertrifft er sie, die nur an Verteidigung denken, absolut.
»Iwans Kindheit« ist ein unkonventioneller Kriegsfilm, ein Film, der die Geschichte eines Charakters erzählt, der vom Krieg geboren und auch von ihm verschlungen wurde.