Charlie Chaplin ist bekannt geworden durch seine Figur "der Tramp", die denselben Bart wie der vier Tage jüngere Adolf Hitler trägt. Dies nutzt Chaplin in dem Film "Der große Diktator", in dem er nicht nur einen jüdischen Barbier, sondern auch den judenhassenden Diktator Hynkel spielt. Im Film navigiert sich der Barbier im klassischen Chaplin-Stil mittels Slapstick durch die Unterdrückungsmaschinerie, während der Diktator von der Weltherrschaft träumt. Den Film beendet Chaplin jedoch nicht mit Situationskomik, sondern mit einer der wichtigsten Reden der Filmgeschichte: einem kämpferischen Appell gegen Hitlers Hass - ein bis heute ungealtertes Plädoyer für Menschenliebe und Herzlichkeit:
"You, the people have the power … to make this life free and beautiful, to make this life a wonderful adventure."
Dies gelingt Chaplin in solcher Eindringlichkeit, da es sich auch um seinen ersten Dialogfilm handelt - denn Chaplin konnte nicht mehr stumm bleiben. Trotz Bemühungen, im damals noch "neutralen" Amerika diesen Film durch die staatlichen Zensurbehörden zu verhindern, gelang die Premiere 1940. Zu diesem Zeitpunkt hatte Nazi-Deutschland auf der Weltbühne spätestens durch den Einmarsch in Polen seine hässliche Fratze gezeigt - das volle Ausmaß des Nationalsozialismus, der Holocaust in seiner ganzen Schrecklichkeit, war Chaplin und der restlichen Welt jedoch noch nicht bekannt. In seiner Autobiographie schrieb Chaplin später, dass er den Film nicht hätte machen können, wenn er damals bereits von der systematischen Vernichtung gewusst hätte.
Und trotzdem zeigen wir diesen Film 85 Jahre später, in einer Zeit, in der rechte Sentiments wieder gesellschaftliche Mehrheiten finden und Ausgrenzungs- und Abschiebepolitik immer weiter normalisiert wird.
"Super-patriotism leads to Hitlerism - and we've had our lesson there", kommentierte Chaplin 1952, als ihm die Einreise in die USA wegen des Verdachts "unamerikanischer Umtriebe" verweigert wurde.
Wir finden es wichtig, die Absurdität rechtsextremer Ideologie zu zeigen und wollen gemeinsam über Diktatoren - und jene, die es gerne wären - lachen. Darum sagen wir dieses Semester ausdrücklich: "Nie wieder ist jetzt."
FG
Programmheft WiSe 05/06:
Die Welt steht am Rande des Krieges. Adenoid Hynkel (Charlie Chaplin), der größenwahnsinnige Diktator des faschistischen Staates Tomania rüstet kräftig auf. Er will die Welt erobern und bei dieser Gelegenheit alle Juden umbringen, die er für die Wurzel allen Übels hält. Was Adenoid Hynkel nicht weiß: Er hat einen Doppelgänger, einen jüdischen Barbier (ebenfalls Charlie Chaplin). Und dieser denkt nicht daran, sich so einfach unterdrücken zu lassen. Mit List und Schläue schafft es der Barbier, den ständig schlimmer werdenden Schikanen zu entgehen. Schließlich bleibt ihm und seiner Liebsten nur die Flucht ins freie Nachbarland Osterlich. Doch auch Hynkel ist auf dem Weg nach Osterlich. Er will das Nachbarland annektieren, bevor ihm sein Freund und Verbündeter Benzini Napoloni, der Diktator des faschistischen Staates Bacteria, zuvor kommt. Beim Versuch, unbemerkt die Grenze zu überschreiten, wird der Barbier von den Soldaten Hynkels festgenommen, die ihn jedoch für ihren Diktator halten. So fährt der Barbier wider Willen an der Spitze der Invasionstruppen nach Wien, wo er eine bewegende Rede für den Frieden hält.
Der Film ist Charlie Chaplins Beitrag zum Zweiten Weltkrieg. Während junge Amerikaner eingezogen wurden, tat Chaplin das, was er am besten konnte, um sein Land zu unterstützen: Einen Film drehen. Obwohl Chaplin geschworen hatte, niemals einen „Talkie”, einen Tonfim, zu drehen, wurde dieser Film einer seiner größten Erfolge. Wie es für einen Chaplin-Film üblich ist, so strotzt auch dieser Film nur so vor Slapstick und urkomischen Einfällen. Legendär ist z.B. die groteske Tanznummer, die der Diktator mit dem großen Globus in seinem Büro aufführt. Inspiriert wurde Chaplin zu dieser Szene von der Realität, denn in Hitlers Büro gab es tatsächlich einen großen Globus. Doch der Film vergisst bei aller Komik nie sein Anliegen, so auch in dieser Szene. Am Ende des Tänzchens zerplatzt der Globus (der ein riesiger Luftballon ist), genau wie die Welteroberungspläne des Diktators. So schafft es Chaplin, dem Nazireich die Maske herunter zu reißen, indem er Hitler der Lächerlichkeit preis gibt.
Thomas Neudörfer (TN)




